Pojnik

Pojnik

Etwa eine Handvoll Pojnik-Altapfelbäume dürfte es im Donau-Ries noch geben. Einer davon steht noch an der Tiefenmühle in Heroldingen. Verjüngungsschnitte an dem alten Baum werden nur noch begrenzte Wirkung haben, sodass eine Vermehrung der Sorte zu deren Erhalt geboten ist. Der „falsche Landsberger“, wie man ihn unter Fachleuten wegen der Verwechslersorte „Landsberger Renette“ auch nennt, stammt aus Rumänien. Dort sprach man einst von der „Krone der siebenbürgischen Äpfel“. In Siebenbürgen ist der Pojnik Anfang des 19. Jahrhunderts als Kernwildling in einer Waldgegend entdeckt worden.
Die Frucht ist süßlich und abknackend, später markig. Je nach Lage kann der Verzehr ab November, spätestens Januar beginnen. Eine Haltbarkeit bis Mai ist möglich. Man spricht hinsichtlich der grünlich-gelben Frucht von einem ausgezeichneten Tafel- und Wirtschaftsapfel.
Wie kam der Baum nach Heroldingen? Denkbar ist, dass einer der Heroldinger Heimatvertriebenen aus dem Gebiet der früheren Tschechoslowakei nach dem Krieg dafür sorgte. Von ihnen ließen sich einige in Heroldingen nieder, darunter mit Hausbauten im Bereich der früheren Tiefenmühle. Nebenan in Hoppingen gab es zudem nachweislich Siebenbürger Sachsen. Auch von dort könnte ein Impuls zur Existenz des Baums an dieser Stelle geführt haben.
Hier an der Wörnitz stellt sich der Apfelbaum mit einer hochgewachsenen, ursprünglich auch breit ausladenden Krone dar. Während der jährlichen Versteigerungen fand er meist keine besondere Beachtung. Dies mag daran liegen, dass er nicht im hauptsächlichen Streuobstgebiet Heroldingens Richtung Brennhof steht.
In den letzten Jahren ist ein Maschendrahtzaun um den Stamm gelegt worden, um immer stärker sich ausbreitende Biber daran zu hindern, den historisch wertvollen Baum bald zu fällen.
Vom Wuchscharakter her dürfte sich der Pojnik auch heute noch als ein Element für prägende Streuobstlandschaften eignen. Dass die Sorte auch hier gut gerät, spricht für sie und bestätigt ihre weitgehende Anspruchslosigkeit. Die Haltbarkeit der Früchte dürfte ein günstiges Kriterium für Interessierte sein.

Steckbrief:
Baum: hochwachsend, keine besonderen Standortansprüche; am besten keine zu trockenen oder schweren Böden
Schale: gelb bis gelblich-grün
Frucht: fein, saftig, süßlich mit renettenartiger Würze
Pflückreife: ca. Oktober
Genussreife: ca. Dezember
Haltbarkeit: Mai

Ralf Hermann Melber, 4. Januar 2024

Rheinischer Bohnapfel

Rheinischer Bohnapfel

Rheinischer Bohnapfel

Als eine von drei Apfelsorten wurde der Rheinische Bohnapfel am 24. Januar 1922 durch die deutsche Obstbau-Gesellschaft zur Apfel-Reichsobstsorte ernannt. Dafür musste eine Frucht von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sein. Kein Wunder, ist der Massenträger doch anspruchslos hinsichtlich Standort und Klima. Zudem besticht er durch seine lange Haltbarkeit und vielseitige Verwendungsmöglichkeit. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Sorte im Neuwieder Becken entdeckt und 1797 beschrieben. Gut ausgereift gehört der Bohnapfel aromatisch zu den allerbesten Verwertungsäpfeln. Nur in extremen Hochlagen reift er nicht genügend aus, was im Kreis Donau-Ries wirklich kein Problem darstellt.
Es ist unbedingt ratsam, diese Sorte bei Jungbaumpflanzungen mit zu berücksichtigen, weil sich dies in Krisenzeiten auszahlen kann. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte ein hoher Bohnapfelbaum am Ortsrand von Heroldingen 40 Deutsche Mark Versteigerungspreis ein, was der heutigen Kaufkraft von ungefähr 400 Euro entspricht. Mehrere Familien teilten sich einen Jahresertrag, wobei die jeweiligen Anteile sehr genau gewogen wurden, wie der letzte Bürgermeister Heroldingens noch erzählen konnte. Einige wussten gar von Bewachungsmaßnahmen, um Diebstähle abzuwehren. Während die Bürgermeister die Versteigerung durchführten, war der Dorfflur zuständig für die Obstanlagen. Besagter Baum steht zwar nicht mehr, aber er erlebte immerhin die Reichsmark, die Inflationszeit, die D-Mark und etliche Jahre des Euro. Die Währungen wechselten, es gab zwei Weltkriege, der Baum blieb bei seiner „Währung“ und diente bis zuletzt treu.
Der Große Rheinische Bohnapfel – im Schwarzwald auch „Jockerle“ genannt, ist mit seiner aufwärtswachsenden Krone gut für Viehweiden geeignet. Ältere Bäume der pflegeleichten Sorte sollten mitunter verjüngt werden, was in Heroldingen sehr gut geklappt hat. Der Baum ist auf geeignete Pollenspendersorten angewiesen. Seine Frucht entfaltet u.a. gutes Aroma beim Dörren oder in Gebäcken, eignet sich aber auch gut für Saft. Sie kann nach Säureabbau und Zunahme des geringen Zuckergehalts ab ca. Februar gegessen werden und überzeugt manchen Geschmack.

Steckbrief:
Baum: anfangs mittelstark, später stark, großvolumig und kugelig wie der Apfel selbst – kann sehr alt werden
Blüte: schlechter Pollenspender
Schale: gelbgrün, Deckfarbe braunrot marmoriert, mitunter bläulicher Unterton
Frucht: oft eiförmig mit kurzem, knopfigen Stiel, bei Genussreife saftig säuerlich, schwach gewürzt mit festem Fleisch
Pflückreife: ab Mitte Oktober
Genussreife: ca. ab Februar
Haltbarkeit: Mai bis Juni

Ralf Hermann Melber, 19. Februar 2023

Riesenboiken

Riesenboiken

Von Riesenboiken-Apfelbäumen, die deutschlandweit verbreitet sind, gibt es im Stadtgebiet Harburg einige Vorkommen. Es stehen noch Altbäume in der Kernstadt, z.B. am Rennerspitz, aber auch einige im Heroldinger Ried.
Vor 1900 kannte man die Sorte bereits an der Unteren Elbe zwischen Hamburg und Cuxhaven. Die Bäume sind landschaftsprägend. Riesenboikenäpfel haben außer der Namensähnlichkeit nichts mit dem Boikenapfel gemein. Sie sind – wie der Name schon verrät – eher groß und schmecken angenehm säuerlich. Ab Ende September können sie geerntet werden, doch sie hängen durchaus bis zum Jahresende am Baum, was die Vögel freut.
Der Wuchs der Bäume ist ausladend und gut verzweigend, weshalb gelegentliches Auslichten sinnvoll ist.
Der Ertrag ist meist nicht übermäßig, dafür ist der Ernteaufwand wegen der großen Früchte vergleichsweise gering – ob von Baum oder Boden. Die Sorte empfiehlt sich somit auch heute noch. Mit der Zeit werden die großfrüchtigen Riesenboiken während der Lagerung fettig.

Steckbrief:
Baum: robust, breit ausladend, gut verzweigend, liebt windoffene Lagen, aber keine zu schweren, nassen Böden
Schale: Grundfarbe grünlich gelb, selten leicht orange-rötlich auf der Sonnenseite
Frucht: hängen windfest, mittelgroß bis groß, frisch vom Baum saftreich und angenehm säuerlich, später mürbe und ausgewogen süß
Blüte: mittelfrüh, wenig empfindlich bei nasskaltem Wetter und Frost, schlechter Pollenspender
Pflückreife: ab Ende September
Genussreife: ca. November
Haltbarkeit: ca. Februar

Ralf Hermann Melber, 2. Juli 2023

Rote Sternrenette

Rote Sternrenette

Im Heroldinger Ried unweit des Spielplatzes, aber auch auf einer Ausgleichsfläche in Spielberg bei Mauren, stehen Apfelbäume der Sorte „Rote Sternrenette“. Ihren Namen hat die Sorte sicher aus diesem Grund: Wenn die Frucht sonnenbeschienen knallrot wird, fallen ihre hellen Punkte derart auf, dass man als Hobbyastronom keine Probleme hat, den Namen als ideal anzusehen.
Von dem Altbaum in Heroldingen mit seiner auffallend hohen Mittelachse fallen alljährlich die Sternrenetten wie Sternschnuppen sanft ins hohe Gras, sofern sie nicht direkt vom Baum geerntet werden.
Erstmals wird die Sorte wohl 1830 beschrieben. Man nimmt eine Herkunft aus der Umgebung von Maastricht an – wir bringen den Ortsnamen unmittelbar mit dem Euro in Verbindung. Manch alter Apfelbaum hat schon einige Währungen seit der Reichsmark überlebt. Schon vor 1869 war die Rote Sternrenette offenbar um Antwerpen, Limburg und Lüttich längst verbreitet. Der mittelgroße Tafel- und Wirtschaftsapfel hat hohen Ziereffekt, dekoriert winterlichen Schmuck gerade um die Weihnachtszeit, doch ist die Frucht bis dahin mehlig.
Durch die charakteristischen Lentizellen „atmet“ der Apfel, d.h. hier wird Gas zwischen der Umgebungsluft und dem Apfelgewebe ausgetauscht. Durch diese Schalenpunkte verbreitet sich auch das Ethylen, weshalb andere Früchte daneben – wie z.B. Bananen – schneller reifen. Will man späte Apfelsorten länger haltbar machen, sollten die früheren in einem separaten Raum gelagert werden.
Die Blüte der Sternrenette ist spät und lange, dabei kaum empfindlich. Wäre der Ertrag noch höher, könnte man von einem idealen Baum für die Tatsache sprechen, dass die Spätfröste zwar pünktlich eintreffen, die Blüte aber immer früher zum Vorschein kommt. Wie zu beobachten ist, macht dieser Sachverhalt den Obstliebhabern immer mehr zu schaffen, weshalb es gut ist, auf einen entsprechenden Sortenmix zu achten. Der forstharte Baum ist auch sonst wenig anfällig gegen Schorf, Mehltau und Obstbaumkrebs, liebt tiefgründige, feuchte Böden, kommt aber auch in ungünstigen Lagen aus. Der Baum aus Richtung Maastricht setzt somit Maßstäbe für die Stabilität des Euro.

Steckbrief:
Baum: starkwüchsig, breit, steil nach oben strebend, später ausladend, landschaftsprägend
Blüte: spät, lang anhaltend, wenig empfindlich
Schale: Grundfarbe gelbgrün bis gelb, Deckfarbe oft komplett rot bis scharlachrot, fühlbare Lentizellen
Frucht: mittelfest, zartrosa geadert, süßsauer, leicht aromatisch, mäßig saftig, Fallobst eher unempfindlich
Pflückreife: Ende September
Genussreife: Oktober
Haltbarkeit: Mitte Januar
Pflückreife: ab Ende August
Genussreife: September
Haltbarkeit: bis Oktober

Ralf Hermann Melber, 13. Dezember 2022

Schöner aus Boskoop

Schöner aus Boskoop

Schöner aus Boskoop Harburg

Der hier beschriebene Apfel einer der bekanntesten unter den alten Sorten überhaupt. Man findet Boskoop-Apfelbäume z.B. unterhalb des städtischen Friedhofs in Harburg sowie unweit des Heroldinger Spielplatzes. Auch sonst ziert die stark wachsende Sorte viele Gartenflächen und hat auf etlichen Streuobstwiesen einen festen Platz.
Wie begann die Erfolgsgeschichte dieses Apfels, der sich als einer von wenigen alten Sorten im Handel erhalten hat und nach wie vor sehr beliebt ist? 1856 entdeckte der Pomologe Kornelis Johannes Wilhelm Ottolander den Apfel auf dem fruchtenden Trieb eines Wildlings in Boskoop (Niederlande). Schon neun Jahre später ist von einer weit verbreitenden Standardsorte die Rede, mittlerweile in ganz Mitteleuropa. Ob es sich eigentlich um die „Renette von Montfort“ handelt oder eine Mutante davon, ist unklar. Fest steht, dass es Mutanten des Schönen aus Boskoop gibt. Der Rote Boskoop wurde 1923 – im Jahr der Inflation – als Knospenmutation im Rheinland entdeckt und wird heute häufig angebaut und verkauft.
Polyphenol- und Vitamin-C-Bedarf des Schönen aus Boskoop sind sehr gut. Je später er geerntet wird, desto höher ist der Nährwert. Die Bäume sind auf Pollenspender angewiesen, für die sie sich mit einer lang anhaltenden Blüte bereithalten. Der Ertrag lässt bei Jungbäumen länger auf sich warten, ist dann aber hoch, aber in der Regel nur alle zwei Jahre.
Freunde der Familie dieser „Lederäpfel“, wie sie auch genannt werden, seien auf ähnliche Sorten im Garten hingewiesen, die eher einen jährlichen Ertrag erwarten lassen: Graue Herbstrenette, Kanada Renette und die weniger säuerliche Zabergäu Renette sind gute Alternativen oder Ergänzungen, die viel zu wenig bekannt sind und neben dem Boskoop mehr Aufmerksamkeit verdienen.
Triploide Sorten (schlechte Pollenspender) wie der Boskoop wachsen tendenziell stark und werden hoch und breit. Gartenbesitzer mit weniger Platz oder dem Wunsch nach einfacher Ernte sollten dies unbedingt bei der Sortenwahl berücksichtigen, um später nicht wider Willen durch ständigen Rückschnitt gegen die Natur dieses Apfelbaums arbeiten zu müssen.

Steckbrief:
Baum: starkwüchsig, sehr groß, eher breit und ausladend, Boden genügend feucht und nährstoffreich, eher wind- und frostgeschützte Lage
Blüte: früh bis mittelfrüh, lang anhaltend, triploid
Schale: ledrig, je nach Mutante verschiedene Farbentwicklung
Frucht: (mittel-)groß, Fleisch gelblich, fest und grob, säuerlich, bei trockener Lagerung schrumpfend
Pflückreife: ab Ende September
Genussreife: ab Dezember
Haltbarkeit: April

Ralf Hermann Melber, 19. Februar 2023

Transparent aus Croncels

Transparent aus Croncels

 

Der Sonderhof dürfte so ziemlich die geografische Mitte des Landkreises bilden. Dort und besonders bei Heroldingen findet man überdurchschnittliche Bestände eines im Volksmund genannten „Zitronenapfels“. An dieser Stelle soll transparent gemacht werden, was den „Transparent aus Croncels“ aus dem Jahr 1869 weiterempfiehlt. Warum sollte der Apfel, von einer Baumschule Baltet aus Croncels bei Troyes (Frankreich) stammend, in seinem Bestand mittels Nachpflanzung gesichert werden?
Reif im September geerntet verfügt die Frucht mit ca. 26 mg/100 g immerhin über die Hälfte des Vitamin-C-Gehalts einer Orange und ist damit führend unter den allermeisten Apfelsorten. Findige Bäckereien suchen den Apfel, der besonders in der Landkreismitte noch auf sehr alten Bäumen gedeiht, fürs Kuchenbacken. „Glas- oder Eisapfel“ heißt er auch. Für den Autor gehört der erste Biss in den Apfel, dessen Geschmack etwa an Zitroneneis erinnert, zu einem Höhepunkt des Erntejahres. Denn er ist einer seiner absoluten Lieblingsäpfel. Geschmacklicher Hochgenuss als Tafel- und Wirtschaftsfrucht wird heute wegen der Druckempfindlichkeit und kurzen Haltbarkeit im Handel grundsätzlich nicht mehr wertgeschätzt. Aromatischer Frischverzehr empfiehlt den Baum sogar für Privatgärten. Weil der Transparent aus Croncels, von dem vermutet wird, dass er aus einem Antonowka-Sämling hervorgegangen ist, zu Vorerntefruchtfall neigt, ist darauf zu achten, ihn nicht zu früh zu ernten. Grüne Früchte reifen bei dieser Sorte nämlich nicht nach.
Bereits Sekunden nach Anschnitt färbt sich das reife Fruchtfleisch braun, weil der Transparent u.v.a nur so mit sekundären Pflanzenstoffen strotzt.
Der Baum wächst zumindest mittelstark, verzweigt sich und bildet reichlich Fruchtholz, weshalb regelmäßiger Ertrag selbst an langen, ein- bis zweijährigen Trieben sichergestellt ist. Sorgsamer Aufbau- und Überwachungsschnitt macht sich hier bezahlt.
Beim Autor gehört hinsichtlich der Nachfrage nach Edelreisern seitens Interessierter der Transparent aus Croncels zur beliebtesten Sorte.

Steckbrief:
Baum: anfangs starker, dann mittelstarker, kugeliger Wuchs, bevorzugt trockene und mildere Lagen
Blüte: früh, guter Pollenspender
Schale: grünlich weiß, später weißgelb, manchmal schwach orangerot angehaucht
Frucht: mittelgroß bis groß, Fruchtfleisch gelblich-weiß bis cremefarben, sehr aromatischer, mildsäuerlich schmeckender Tafel- und Wirtschaftsapfel
Pflückreife: ab Ende August
Genussreife: September
Haltbarkeit: bis Oktober

Ralf Hermann Melber, 13. Dezember 2022