Kesseltaler Streifling
Nässe, Frost und kühle Temperaturen sorgten dafür, dass es 2023 trotz zuvor anmutender Blüte kaum zur erfolgreichen Bestäubung von Apfelbäumen kam. Mochten Wildbienen mit niedrigeren Temperaturen noch zufrieden sein, flogen sie dennoch wohl nicht allzu weit. Zuchtbienen der unentbehrlichen Imkerleute hatten ihren Kampf mit den Witterungsverhältnissen.
Auf Heroldinger Flur gibt einige meist hochbetagte Apfelbäume des Kesseltaler Streiflings. Zumindest vier davon trugen 2023 reichlich, während auf den Nachbarbäumen meist nichts hing.
Die Erklärung dürfte sein, dass der Kesseltaler Streifling relativ spät blüht, der nächste Imker nicht einmal einen Kilometer weit weg seinem Hobby nachgeht und noch ein freundlicher Nachbar zu Diensten war: Ein einziger Baum der Roten Sternrenette blühte nämlich gleichzeitig und diente als Bestäuber. Ohne seine Pollen und die Bienen, die sie zu den Kesseltalern flogen, hätte die Bilanz trostlos ausgesehen.
Anderswo sind Ontario- oder Klaräpfel durchgekommen – beides Sorten, deren Blüte relativ frosthart ist.
Es lohnt sich also, über einen gesunden Auf- oder Umbau in Obstbaumbeständen nachzudenken. Bei versierten Baumschulen, Pomologen und Gartenfachberatern kann man sich bei Bedarf einen Überblick über geeignete Pollenspender verschaffen. Ganze Listen existieren in dieser Hinsicht. Warum also sollte man nicht mit aufgefrischtem Wissen darüber über einen kleinen individuellen Beitrag zum Obstertrag in jedem unserer Landkreisorte nachdenken? Die Obstbaumfreunde Harburg und einige andere Akteure im Stadtgebiet sind schon aktiv – auch im Sortenerhalt. Der Kesseltaler Streifling jedenfalls gilt mittlerweile als bedingt gefährdet, weil es noch nicht so viele Jungbäume davon gibt. Die Frucht wird auch Erfurter Streifling genannt, kommt u.a. in Luxemburg und Vorarlberg vor und nennt sich sogar „Schopflocher Friedhofsapfel“ in Anspielung auf einen fränkischen Baumstandort.
Die Franken sprechen vom „Stromer“, die Donau-Rieser vom „Stroimel“ wohl wegen der Streifen. Wenngleich der Kesseltaler mit die häufigste Apfelsorte im Landkreis darstellt und der Landkreis Dillingen mit seinem Kesseltalbereich noch einen großen Bestand aufweist, reicht es wohl nicht aus, gesichert von einer Entstehung in hiesigem Gebiet auszugehen. Die Vorfahren schätzten jedenfalls den starken Ertrag und die allgemeine Robustheit ihrer Kesseltaler schon vor 1900. Die Wirtschaftssorte bringt vor allem guten Saft. Der Verdacht des Autors, dass es sich um einen schlechten Pollenspender handelt, hat sich durch eingehende Nachforschung seitens des Pomologen Hans-Thomas Bosch bestätigt. Derart wichtige Erkenntnisse kann man sich bei Pflanzplanungen zunutze machen, um geeignet gegenzusteuern.
In Mauren steht übrigens ein Altbaum an der Straße Richtung Ebermergen. Unterhalb der Harburg steht zum Zeitpunkt dieser Artikelerstellung noch ein sehr alter, baumpilzbehafteter „Kesseltaler“.
Steckbrief:
Baum: starker Wuchs, ertragreich, robust und frosthart
Schale: deutlich rötlich gestreift
Frucht: mild süßsäuerlich mit gewissem Aroma, Saftapfel
Blüte: spät, schlechter Pollenspender
Pflückreife: September
Genussreife: September
Haltbarkeit: längstens Dezember
Ralf Hermann Melber, 6. September 2023